2. Teil: 2 Pässe
Eine der vielen Totengedenkstätten, diesmal mit chilenischer Flagge. Bei der defensiven Fahrweise der Chilenen können wir uns die große Anzahl gar nicht erklären. Vielleicht auch Fußgänger in der Dunkelheit bzw. auf der Autobahn. Im Hintergrund das vordere Hurtadotal.
Dienstag:
Am nächsten Morgen sehen wir erst richtig, in welchem kleinen Paradies wir hier im „Tesoro Elqui“ wohnen dürfen. Alles ist wunderbar gestaltet und mit schönen Blumen angelegt. Ein Pool gehört dazu, und die Räume
sind ebenfalls gemütlich eingerichtet. Das Frühstück ist klasse und wir beschließen, hier einen
Erholungstag ein zu legen. Wir sprechen mit Klaus, der hier selber Endurotouren organisiert, über
unser Reichweitenproblem am Paso San Francisco und nebenbei kommen wir auf den hiesigen Paso Agua Nera zu sprechen, den er uns wärmstens ans Herz legt. Kein Reichweitenproblem, eindrucksvolle
Landschaft und einer der höchsten Pässe dieser Erde mit seinen 4770 m.
Wir überlegen, studieren die Karte, trinken ein Glas vom guten einheimischen Merlot, fragen, ob unser Zimmer eine weitere Nacht
frei ist, und beschließen zu bleiben. Und morgen früh zum Agua Negra Pass zu fahren.
Mittwoch, 21. Dezember,
wir sind die Ersten beim Frühstück, das Moped steht schon auf der Straße und dann geht es erst mal nach Vicuna zum Tanken. 40 km
in die „falsche“ Richtung. Der freundliche Tankwart - eigentlich sind hier alle Menschen freundlich und hilfsbereit - überlässt uns zwei 5-Liter-Kanister, die wohl mal Scheibenreiniger beinhaltet
haben. Dann noch etwas Proviant einkaufen und schon ist es 11:00 Uhr. Jetzt wird es aber Zeit! Eine gute Stunde und 93 km später stehen wir beim chilenischen Zoll, werden schnell abgefertigt und
gehen dann zu den Carabinieri; wir hinterlegen unsere Pässe und bekommen den Hinweis, dass um 17:00 Uhr Abfertigungsende ist. Bis 18:00 Uhr
müssen wir spätestens zurück sein.
Agua Negra, wir kommen! Direkt nach der Grenzabfertigung beginnen 73 km Schotter. Anfangs etwas zaghaft, nimmt von Kilometer zu Kilometer das Vertrauen in Reifen und Untergrund zu, so dass sich auf den guten Abschnitten Tempi von bis zu 80 km/h realisieren
lassen. Die Landschaft gewinnt Kilometer um Kilometer an Großartigkeit. Schroffe, über hunderte Höhenmeter völlig glatte Felsabhänge wechseln mit riesigen Murmeln, Vulkanformationen, und dann
wieder Geröllfeldern in unbeschreibbaren Dimensionen und wechselnden Farben ab.
Wir klettern relativ leicht und ohne größere Probleme auf 3000, 4000 und schließlich über die 4500m Marke. In endlos langen Schleifen nähern wir uns der Passhöhe,
Serpentinen kennen die Chilenen nicht. Es ist kurz vor 15:00 Uhr, dem Point of no Return, wenn wir rechtzeitig beim Zoll zurück sein wollen. Jetzt fährt in Sichtweite zum Pass noch die
Schräddermaschine vor uns her. Aber beim Näherkommen macht der Fahrer bereitwillig Platz. Die folgende Strecke ist grob bearbeitet, aber noch nicht fertig. Ich bleibe mit dem linken Fuß an einem
Kanister-großen Stein hängen, den ich eigentlich kaum wahrgenommen habe. Er knallt meinen Fuß mit einer Wucht gegen das Motorrad, dass ich zum
ersten Mal den Ausdruck „Sterne sehen“ für mich nachvollziehen kann. Ich bringe das Mopped zum Stehen, balanciere auf dem rechten Fuß und gucke erst mal, ob der Fuß noch dran ist. Nach ein paar
Sekunden Luft schnappen versuche ich ihn zu belasten – es geht sogar recht gut. Nur schnell aufs Mopped, bevor es schlimmer wird. Jetzt will ich auch auf dem Pass gestanden haben. Der Schmerz ist
erträglich, der Fuß lässt sich bewegen und vor allem belasten. Sonst komme ich ja auch kaum auf die Maschine, und ca. 1/3 muss ich im Stehen fahren. Nicht auszudenken, wenn das anders ausgegangen wäre. Da wären die Kekse knapp geworden, bis der „Gelbe Engel“ uns hier raus
geflogen hätte. Wir schaffen noch die letzten 3 km problemlos, knabbern unsere Gipfelkekse, machen Fotos und empfinden weder die Höhe von 4775 m laut Navi noch die Temperatur von 15° C im starken
Wind als unerträglich.
Nachdem wir die hier für den runterfahrenden Verkehr vorgesehenen Steilabfahrten genutzt haben, sind wir kurz nach 17:20 Uhr beim freundlichen Carabinieri und
bekommen die Pässe schon ans Motorrad gebracht. Noch ein paar Meter weiter und dann wird erst mal eine Erholungspause eingelegt. Noch 120 km zurück bis Pisco Elqui, dann können wir uns das hervorragende Menü des Hauses gönnen. Wir sind glücklich über das tolle Erlebnis, nur schade, dass der Zeitrahmen so knapp
bemessen war.
In dieser Kargheit freut sich das Auge über jede grüne und gelbe Stelle....
Das Bild steht im übrigen nicht (oder nicht viel) schief, die Straße hat hier soviel Gefälle: der Berg im Hintergrund steht gerade !!